Hirschanger ohne -kopf und ohne Weg

Geschrieben am: 17.11.2008 10:08
Abgelegt unter: Bergtouren

Eigentlich hatte ich ja folgendes vor: Von Hallthurm den Grenzsteig hoch Richtung Vierkaser, rechtsrum über Hirschangerkopf, den Knieschnackler entlang und bei den Zehnkasern wieder runter. Da ich die Tour vor fünf Jahren schon einmal gegangen bin, hielt ich es nicht für notwendig, die Beschreibung mitzunehmen.
So nahm ich schon direkt am Parkplatz die falsche Abzweigung und merkte das auch bald. Da die Gegend aber irgendwie verlockend aussah und auch vereinzelt Steinmänner vorhanden waren, ging ich weiter.
Die Steinmänner führen quer, ich will aber nach oben. Also steige ich, teilweise in einem trockenen Bachbett, einen steilen Hang hinauf. Irgendwann kommt eine von Gämsen begangene Kletterstelle, danach ein weiterer Steilhang, diesmal hauptsächlich aus Tannennadeln bestehend.
Unterhalb einer Wand quere ich nach rechts und lande auf einer total romantischen Wiese. Hier blüht mitten im November eine Königskerze.
Rechts von der Wiese ist eine Art Kar, das ich inzwischen als Alpgrabenkendel identifiziert habe und das wiederum rechts von einer senkrechten Wand begrenzt wird. Die Wand sieht nach Extremklettern aus, sie hat einige vielmeterweite Überhänge. Vielleicht führten die Steinmänner auch zu dieser Kletterwand, denn ab jetzt sind sie weg. Dafür finde ich noch eine kleine Biwakhöhle. Ich will aber nicht biwakieren, sondern nach oben. Ein Absatz hält mich auf,  da ich nur die Wahl zwischen einer feuchten und rutschigen Platte sowie Gottvertrauen in einige überhängende Grasbüschel habe. Ich steige wieder etwas ab, wie es an dieser Stelle wohl auch die gesetzteren Gämsen tun, und quere ein Stück nach links.
Grasschrofen und eine kurze sehr griffige Felsstelle führen mich in einen lustigen Tropftopf. Ein Dreiviertelrund, an dem vernehmlich Rinnsale herunter plätschern. Die hübsche Ecke motiviert mich, und ich klettere über eine etwas erdig-lose Stelle rechts aus dem Topf hinaus.
Zweimal überfliegt mich schweigend ein Adler. Es ist diesmal wirklich ein Adler, kein Geier. Er fliegt vielleicht 20 m über den Baumwipfeln, ich kann quasi seinen Gesichtsausdruck erkennen. Er schaut missmutig. Dabei gibt's dazu gar keinen Grund. Über dem gesamten Talkessel liegt zwar eine dicke Nebeldecke, in der sich den ganzen Tag kein einziges Loch zeigt. Doch oberhalb 900 Meter gibt's nur strahlenden Sonnenschein und hoch oben einige Zirren und Fönwolken. Ich mache immer wieder Fotos.
Mehrere dicke Gämsen im Winterkleid kreuzen meinen Weg und verziehen sich ohne Hektik, jedoch teilweise unter Protest. Zum Glück bin ich aus der Phase raus, in der man begeistert jedes Zottelvieh fotografiert, denn durch die ständige Wegsuche zieht sich das Ganze. Ich nehme mir vor, spätestens um 14 Uhr oben zu sein. Oder sonstwo auf einem markierten Weg. Es wird ja schon vor 17 Uhr dunkel.
Teils über Schrofen, teils durch steilen Wald und schließlich durch Latschen geht es weiter. Es geht immer irgendwie weiter. Wie ich vermutet habe. Irgendwann erreiche ich eine wahre Gämsenautobahn, die allerdings durch einen Latschentunnel verläuft, der für Menschen etwas niedrig ist. Dann plötzlich sehe ich Sägestellen an den Latschen. Von "ausgeschnitten" kann man nicht mehr sprechen, aber irgendwann war hier mal ein Mensch. Oder natürlich die gemeine Sägegämse.
Ich schiebe einen Zweig zur Seite und blicke plötzlich auf die Wasserlache oberhalb der Vierkaseralm. Ich hab schon länger nichts mehr zu trinken - am Tropftopf bin ich vorbeigeklettert, ohne den Wasserbeutel zu füllen. Aber hier auf der Nordseite ist plötzlich Winter. Die Lache ist großenteils fest zugefroren, aber an der Ecke mit dem Zufluss kann ich ein Loch schlagen. Da die Lache nur ganz flach ist, wühle ich dabei jede Menge Modder auf. Aber das macht nichts. Mein Magen ist modderfest. Ich lasse das braune Wasser in den Beutel fließen und fülle zur Verdünnung des Schlamms noch etwas Schnee nach. Viele Leute entkeimen ja sogar klarstes Gebirgsbachwasser und verschmähen Schnee, weil er dem Köprper Mineralstoffe entzieht. Nun, meine Hausmischung enthält bestimmt jede Menge Mineralien.
Es ist inzwiischen 14.07 Uhr. Jetzt gibt es nur eine Möglichkeit: Abwärts über den Grenzsteig, den ich eigentlich aufsteigen wollte. Die Abzweigung und auch der vom Windwurf etwas ramponierte Weiterweg sind liebevoll gedaubt, an der Forsthütte mache ich eine kurze Pause, meinen Knien zuliebe, und beim letzten Büchsenlicht erreiche ich den Parkplatz Hallthurm.
Obwohl es nur rund 1000 hm waren, hatte ich durch die Steilheit des Anstiegs am nächsten Tag einen sauberen Muskelkater.


Kommentare

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Lothar aus Frechen

Lothar.Kitselar@t-online.de

 
Sonntag, 30-11-08 17:58
Leider funktioniert der Link zu "Mehr Bilder hier" nicht mehr. Hängt das mit dem Umbau Deiner Seite zusammen ("Wenn Domains sich scheiden...."). Wäre schade.....
Meine Frau und ich sind große Liebhaber der Berchtesgadener Bergwelt. Weil wir weit weg wohnen, schauen wir immer gerne auf Deiner Web-Seite (und auch beim Jens) vorbei. Wir finden Deine Seite sehr gut und freuen uns über die interessanten Beiträge. Wäre schade, wenn die (vergrößerbaren) Bilder wegfallen.

Ika
  Montag, 01-12-08 11:33
Danke für den Hinweis, jetzt müsste es wieder gehen.

Sebastian aus Großgmain
  Sonntag, 05-10-14 22:40
Freund der Berge, was du da machst is sehr gefährlich!!
Wenn ma sich dem weg nicht sicher is wäre umkehren wohl besser!!

Denn Fotos zu beurteilen bist du über den brunstgraben ( ableitend davon das sich hier immer die brünstigen Gämse und Hirsche aufhalten und ihre Kämpfe abhalten) aufgestiegen!!


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