Nachhaltig nachgefragt

Geschrieben am: 13.02.2009 15:07
Abgelegt unter: Gefühltes

Heute, auf der Schneefahrt von München nach Hause. Ein kurzer Beitrag im Radio auf Bayern 5, es geht um die Messe "Ambiente". Und dann dieser Satz: "Der Trend geht zur Nachhaltigkeit, der Verbindung von Design und Funktionalität."

Wie bitte?

Fangen wir von hinten an, dann kann ich mich langsam reinsteigern.

"Form follows Function" ist eine uralte Forderung jeglichen guten Designs und keineswegs ein neuer Trend. Alles andere kann man im Prinzip gleich wegschmeißen.

Dann das unsägliche Wort "Funktionalität". Die Verfechter dieses Ungetüms behaupten, dass es mehr beinhalte als die bloße Funktion, nämlich besonders reichhaltige und besonders praktische Funktionen. Ein Gerät mit hoher Funktionalität ist mithin ein Ding mit vielen praktischen Funktionen.  Hat der Rundfunksender das gemeint? Nein, gemeint war bloß: "Es soll nicht nur schön aussehen, es muss auch funktionieren." Ein fantastischer, neuer und nie da gewesener Trend.

Jetzt zum ersten Teil des Satzes: "Der Trend geht zur Nachhaltigkeit." Was bitteschön hat Nachhaltigkeit mit Design oder mit Funktion zu tun? Ich würde sagen: nichts. Der ganze Satz ist ein leeres Blubb.

Aber was ist Nachhaltigkeit überhaupt? Fest steht nur, es ist eins der meistgebrauchten Wörter der letzten Jahre. Ursprünglich stand Nachhaltigkeit immer in Verbindung mit der Gewinnung von Rohstoffen. "Nachhaltig produzieren" hieß, dass der Rohstoff durch die Bewirtschaftung nicht weniger wird. So gab es nachhaltige Energieerzeugung, z.B. aus Sonne und Wasser. Nachhaltige Holzwirtschaft hieß, nicht mehr Wald abzuholzen als nachwächst. Und vor allem nichts zu verwerten, was dadurch unwiederbringlich verloren geht.

Aber was ist heute nicht alles nachhaltig! Neuerdings offensichtlich auch die Sofas, Kaffeetassen und Geschirrspüler, die auf der Ambiente ausgestellt werden. Was kann an einer Spülmaschine nachhaltig sein? Sie wird nicht aus nachwachsenden Rohstoffen produziert, und woher der Strom kommt, der sie antreibt, weiß sie nicht. Das einzig Nachhaltige an einer Spülmaschine ist genau genommen, dass man das Geschirr auch nach dem Spülen noch benutzen kann.

Neuerdings wird auch beim Umgang mit Geld von "Nachhaltigkeit" gesprochen. Hier soll "nachhaltiges Wirtschaften" schlicht und einfach bedeuten, dass ich nicht mehr Geld ausgebe, als ich einnehme. Doch dafür gibt es wahrlich bessere und verständlichere Ausdrücke. Wie wäre es zum Beispiel mit "sparsam", "solide", "vernünftig", "vorsichtig" oder von mir aus auch "auf Guthabenbasis". Aber was das ist, weiß ja heute praktisch niemand mehr.

Und wenn mir dann die nachhaltige Bewirtschaftung meines Girokontos erlaubt, einen gewissen Geldbetrag für Spaß und Jux auszugeben, dann wird es noch besser. Jetzt habe ich nämlich die Wahl unter lauter spannenden nachhaltigen Dienstleistungsangeboten. So kann ich mich zum Beispiel für einen nachhaltigen Urlaub entscheiden, für ein nachhaltiges Klangerlebnis oder eine nachhaltige Wellnessbehandlung. Was das sein soll? Keine Ahnung. Aber es liegt voll im Trend.

Als Nächstes wird man mir Buddhismus als eine nachhaltige Religion verkaufen - wegen der Wiedergeburt.


Kommentare

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Herwig aus Aying
  Samstag, 14-02-09 12:04
Du regst Dich ueber Manager- und Marketing-SprechBlasen auf? Fuer einen nachhaltigen Seelenfrieden ist etwas mehr Gelassenheit empfehlenswert - der Aerger ueber die Funktionalitaet von FuehrungsKraeften ist seit Jahren mein nachhaltiger Begleiter.

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